Sie bereichern unseren Alltag an vielen essenziellen Stellen und sind entscheidende Möglichmacher für die Energiewende. Man findet sie in diversen Technologien und Anwendungen etwa in der Luftfahrtindustrie, in Autos, in der Herzchirurgie bis hin zu Multifunktionskleidung. Die Rede ist von Fluorkunststoffen, den Alleskönnern unter den Hochleistungskunststoffen. Dafür, dass man sie kaum wahrnimmt, sind sie für das Voranbringen einer nachhaltigen Zukunft erstaunlich wichtig. Wie genau funktioniert das?
Stichwort Energiewende: Die EU hat sich selbst das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Ein entscheidender Baustein zum Erreichen dieses ehrgeizigen Plans ist die Förderung erneuerbarer Energien. Fakt ist: Kein Windrad dreht sich ohne Fluorkunststoffe, kein Solarpanel funktioniert ohne den Hochleistungskunststoff.
Die einzigartigen Eigenschaften von Fluorpolymeren, insbesondere ihre hervorragende Beständigkeit gegenüber aggressiven Chemikalien oder Korrosion sowie das Aushalten auch extremster Temperaturen, machen sie für das Erzeugen sauberen Stroms aus Sonnenkraft so bedeutend. Sie erhöhen sowohl die Lebensdauer als auch die Effizienz von Photovoltaikanlagen.
Fluorpolymere sind entscheidend, um Solarpanels vor Witterungseinflüssen jeglicher Art zu schützen. Dazu verbessern sie die elektrische Isolierung und sorgen bei Bedarf für optische Transparenz, ermöglichen also lichtdurchlässige Solarmodule für optisch ansprechende Fassaden, Wintergärten oder Überdachungen für Terrassen. Solch eine intelligente Verknüpfung von Sonnenschutz und Stromerzeugung könnte schon bald dafür sorgen, dass komplette Hausfassaden zur Energiegewinnung genutzt werden.
Nicht nur die Solarenergie boomt, auch die installierte Kapazität von Windenergie steigt; eine Voraussetzung dafür ist ein Mehr an Effizienz und Leistungsfähigkeit. In Windkraftanlagen sorgen Fluorpolymere an ganz unterschiedlichen Stellen dafür: von den Kontrollzentren für Offshore-Windparks bis zu den Rotorblättern aus Verbundwerkstoffen.
Beispiele gefällig? Farben und Beschichtungen aus Fluorkunststoffen werden am Rotorblatt eingesetzt und schützen das Material gegen starken Regen oder schwere Stürme; sie verlängern so die Lebensdauer und verringern den Wartungsaufwand der Windräder. Damit bei der Rotorwelle im Windrad alles perfekt ineinander greift, helfen reibungsmindernde Fluorpolymere, die das Gleitlager im Rotor geschmeidig am Laufen halten. Bei der Produktion von Turbinenblättern aus Verbundwerkstoffen insbesondere für den Offshore-Bereich sind Trennfolien aus Fluorkunststoffen im Einsatz, die dafür sorgen, dass sich die verschiedenen Materialien gut zusammenfügen und ggf. auch wieder trennen lassen – wichtig auch für ein späteres Recycling der Anlagen.
Die Nachhaltigkeitsziele der EU setzen eine Abkehr von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Erdgas voraus. Um trotzdem ausreichend Energie für Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft verfügbar zu haben, braucht es die Gewinnung grünen Wasserstoffs. Fluorkunststoffe sind hierbei an vorderster Stelle aktiv, etwa als zentrale Komponenten des Elektrolyseurs für die Umwandlung von Wasser in Wasserstoff. Sie sind damit entscheidend für die Defossilisierung der deutschen Wirtschaft.
Brennstoffzellen wiederum wandeln Wasserstoff in Elektrizität um, was entscheidend ist, um den Energiemix der EU nachhaltiger zu machen. Als Ionenaustausch-Membranen und in anderen Schlüsselkomponenten der Konstruktion sorgen Fluorpolymere dafür, dass Brennstoffzellen als Puffer für stark schwankende Energiemengen aus Windenergie oder Photovoltaik fungieren, die dann an Industrie und Verbraucher abgegeben werden kann.
Auch beim Powerhaus im Elektroauto, der Batterie, sind Fluorkunststoffe nötig. Als Elektrodenverbindung helfen sie mit, die Leistungsfähigkeit einer Lithium-Ionen-Batterie zu erhöhen. So gelingt es auch hier immer besser, die teilweise unregelmäßig gewonnene regenerativ erzeugte Energie zu speichern und zeitversetzt ins Netz einzuspeisen.
Mögliche Alternativen zu all diesen Beispielen kranken daran, weniger effizient und funktional zu sein.
Die Beispiele zeigen: Fluorpolymere sind unverzichtbar für das Gelingen des europäischen Green Deal.
Doch auch abseits grüner Ziele sind Fluorpolymere wichtig: Sie helfen bei einer schnelleren Datenübertragung mit 5G, die Halbleiterindustrie braucht sie bei der Chipherstellung und man findet sie in weiteren zentralen Komponenten von Smartphones und Computern sowie Autos. Auch in Alltagsprodukten für die Küche, als Medizinprodukt wie dem Stent bei Herzeingriffen oder als Teil der Stadionhülle der Allianz Arena sind die Tausendsassas mit von der Partie.
Einige Eindrücke hierzu vermittelt der Tagesablauf eines jungen Hamburgers:
Weltweit droht sich die Regulatorik bezüglich sogenannter ewiger Chemikalien zu verschärfen, also Stoffen, die in der Natur nicht abbaubar sind. Aktuell läuft ein Restriktionsverfahren der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), das sich gegen die rund 10.000 per- und polyfluorierten Verbindungen (PFAS) richtet. Wird der Plan in die Tat umgesetzt, könnte die EU erstmals eine ganze Stoffgruppe mit unzähligen Chemikalien verbieten – darunter auch die 38 Fluorkunststoffe, die zu dieser Stoffgruppe zählen. Hintergrund ist, dass die ECHA das Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, das womöglich von PFAS ausgeht, minimieren will. Allerdings: Da Fluorpolymere im Gegensatz zu den anderen PFAS hochmolekulare Stoffe sind, reichern sie sich weder im menschlichen Körper noch in der Natur an.
Und am Ende ihrer Lebensdauer werden Fluorpolymere vorwiegend energetisch verwertet oder thermisch von anderen Materialien getrennt (gesamt: ca. 84 Prozent). Dies zeigen die Ergebnisse der Studie „Fluorpolymerabfälle in Europa 2020“. Der Gesamtanteil an Fluorpolymeren in allen Abfallströmen betrug zudem weniger als 0,01 Gewichtsprozent. Im Vergleich dazu machten Kunststoffe insgesamt etwa 4,8 Prozent der gesamten gesammelten Abfallmenge aus. Verschiedene Sammelsysteme auf nationaler und europäischer Ebene stellen sicher, dass Fluorpolymere am Ende ihres Lebenszyklus größtenteils verwertet werden. Mehr dazu auf der Website des Industrieverbands pro-K.