Dr. Brenken: Bei der Kreislaufwirtschaft geht es in erster Linie um Kunststoffverpackungen. Diese Verpackungen sind oftmals sehr komplex. Sie bestehen aus verschiedenen Kunststoffen und enthalten außerdem Zusätze, wie beispielsweise Klebstoffe oder Druckfarben für Etiketten. Die Industrie arbeitet unter dem Stichwort „Design4Recycling“ daran, diese Komplexität zu verringern – ganz vermeiden lässt sie sich aber nicht. Denn die verschiedenen Kunststoffe in den Verpackungen haben ja einen Sinn: Sie schützen den Inhalt, was gerade bei Lebensmitteln sehr wichtig ist. Diese komplexen Verpackungen haben aber den Nachteil, dass sie schlecht recyceln lassen. Denn es gibt eine Informationslücke: Die Recyclingunternehmen wissen oftmals nicht, woraus eine Verpackung tatsächlich besteht und damit auch nicht, wie sie sie recyceln sollen. Die Folge: Sie wird verbrannt.
Dr. Brenken: Recyclingunternehmen müssen darüber informiert werden, aus welchen Inhaltsstoffen eine Verpackung genau besteht. Dann können sie den ankommenden Kunststoffabfall besser sortieren, Gleiches mit Gleichem zusammenbringen und so Material für neue, hochwertige Produkte gewinnen. Die hierfür nötigen Informationen erhalten sie über einen so genannten digitalen Produktpass auf der Verpackung. Das ist ein dynamisches Dokument, auf dem die technischen Daten aus jedem Herstellungsprozess erfasst und gesammelt werden, bis man am Ende eine fertige Verpackung mit allen relevanten Informationen hat. Der Produktpass ermöglicht uns also, die große Komplexität abzubilden und an die Recyclingunternehmen weiterzugeben.
Dr. Brenken: R-Cycle stellt die Dateninfrastruktur für den Betrieb des digitalen Produktpasses bereit. Es ist ein System, dass es allen Beteiligten im Herstellungsprozess und zuletzt auch den Recyclern ermöglicht, miteinander zu kommunizieren. Ganz wichtig ist hierbei, dass diese Kommunikation über einen gemeinsamen, globalen Standard abläuft. R-Cycle arbeitet hier mit der GS1 zusammen, einer Organisation, die weltweit Standards für unternehmensübergreifende Prozesse entwickelt. GS1 hat zum Beispiel auch den Standard für die Bar-Codes an den Supermarktkassen auf der ganzen Welt erarbeitet. Mit unserem Standard schaffen wir eine einheitliche Sprache, die jeder versteht. Das ist nötig, weil vielleicht der Hersteller der einen Folie aus den USA in Inches und Feet misst, der nächste aus Deutschland aber in Millimetern und Zentimetern. Oder auch nur, weil Schreibweisen unterschiedlich sind.
Dr. Brenken: R-Cycle wurde von der Industrie entwickelt und hat das Ziel, die Recyclingquote spürbar zu erhöhen. Ausgangspunkt war die Frage, wie wir es schaffen, komplexe Kunststoffe in den Kreislauf zurückzubringen. Wenn das mithilfe von R-Cycle gelingt, sparen wir außerdem CO2, weil Abfälle nicht mehr aus Unwissenheit verbrannt werden. Und wir sparen Rohöl ein, weil weniger Neukunststoff hergestellt werden muss. Die Grundidee ist es, dem Kunststoffabfall wieder einen Wert zu geben.
Dr. Brenken: Das geht über eine Markierung. Das kann ein QR-Code sein oder ein digitales Wasserzeichen, aber auch eine Bilderkennung oder eine fluoreszierende Markierung. Wir wissen noch nicht, welche Art der Markierung sich letztlich durchsetzen wird. Wir von R-Cycle stellen die Informationen über digitale Produktpässe bereit und unterstützen die unterschiedlichsten Markierungstechnologien.
Dr. Brenken: Heute können Verbraucher:innen noch nicht sehen, ob etwa eine Chipstüte einen digitalen Produktpass hat oder nicht. Viele Informationen daraus sind für sie auch kaum interessant, wie etwa die Art der Laminierung oder die Eigenschaften der Tinte für den Aufdruck. Aber man könnte künftig bestimmte Informationen aus dem Produktpass für die Verbraucher:innen sichtbar machen, etwa wie sie die Verpackung entsorgen sollen, woher die Rohstoffe kommen oder welchen Rezyklatanteil eine Verpackung hat.
Dr. Brenken: Weltweit werden pro Jahr etwa 146 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungen produziert. Doch selbst in Ländern mit einer guten Infrastruktur für Sortierung und Verwertung wie Deutschland werden nur rund 15 Prozent zu Rezyklat verarbeitet. Davon ist nur etwa die Hälfte von der Qualität her so gut wie Neuware. Das zeigt, wie weit wir vom Ziel noch weg sind. In Deutschland werden zwar schon 70 Prozent der Kunststoffabfälle sortiert, aber der Großteil wird noch immer verbrannt, weil man den Rest noch nicht richtig rezyklieren kann. Daran erkennt man, dass das Potenzial riesig ist. Wir wollen dieses Potenzial mit R-Cycle heben.