Die Kunststoffindustrie in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Will Deutschland bis 2045 klimaneutral werden, dann muss auch sie ihren Treibhausgasausstoß auf null herunterfahren und Prozesse dekarbonisieren. Bei aller Unverzichtbarkeit muss die Branche anerkennen, dass sie noch tief in der fossilen Vergangenheit steckt – mit rund sechs Prozent Anteil am globalen Ölverbrauch und Verantwortung für etwa 3,5 Prozent aller Treibhausgase. Bereits heute laufen daher zahlreiche Anstrengungen, um Produkte, Anwendungen und Verfahren umweltschonender und energieeffizienter zu gestalten. Ein wichtiger Ansatz: Grüner Wasserstoff als Energieträger für die Kunststoffproduktion – und damit die Abkehr von Öl und Gas (auch aus Russland).
Design4Recycling bei Kunststoffverpackungen und Rotorblättern, biobasierte Kunststoffe für die Innenausstattung eines Autos, CO2 als Rohstoff für die Matratzenherstellung – es gibt kaum einen Bereich in der Kunststoffindustrie, der nicht auf dem Nachhaltigkeitsprüfstand steht. Doch reicht das? Fakt ist: Um die selbstgesteckten Ziele in Richtung Zirkularität und Treibhausgasneutralität zu erreichen, muss die Kunststoffindustrie mehr tun und schneller werden. Dies zeigt auch der im April 2022 veröffentlichte Report der Denkfabrik SystemIQ. Mit grünem Wasserstoff, den Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger auch schon als „Treibstoff der Zukunft“ bezeichnete, könnte die Branche unabhängig von fossilen Energieträgern werden und insgesamt nachhaltiger wirtschaften.
Eine Möglichkeit hierfür sind Partnerschaften außerhalb Deutschlands, durch die sich der Zugang zu nachhaltigen Rohstoffen langfristig sichern lässt. So hat ein großer Kunststoffhersteller aus Nordrhein-Westfalen kürzlich vermeldet, künftig jährlich 100.000 Tonnen grünen Wasserstoff aus Australien beziehen zu wollen. Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbarer Energie hergestellt. Seine Produktion verursacht keinerlei Emissionen, denn das einzige Nebenprodukt ist Dampf.
Laut Angaben des Wasserstoff-Lieferanten sollen durch die vereinbarten Lieferungen jährlich 900.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Die Versorgung startet ab dem Jahr 2024 und erfolgt per Schiff. Da das kunststofferzeugende Unternehmen weltweit operiert, sind die Lieferungen nicht nur für Europa, sondern auch für Standorte in Asien und Nordamerika geplant.
Übrigens: Auch an anderen Stellen wird auf nachhaltigere Energiequellen umgestellt. Viele kunststofferzeugende Unternehmen sichern sich gerade grünen Strom aus Windparks in der Nordsee, während auf Dächern bei Kunststoff-Verarbeitern und -Maschinenbauern überall in Deutschland Photovoltaikmodule angebracht werden. All das sind wichtige Hebel, um den Übergang zu grüner Energie, insbesondere in der energieintensiven Industrie, zu beschleunigen.
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