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„Wir brauchen eine Investitionsoffensive, Bürokratieabbau, Steuerreformen und einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien“

Prof. Dr. Hüther Michael - Institut der Deutschen Wirtschaft
Prof. Dr. Hüther Michael – © Institut der dt. Wirtschaft

Prof. Dr. Michael Hüther ist Direktor und Mitglied des Präsidiums beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Mit seinem Team forscht er an Themen wie dem aktuellen Strukturwandel, Ordnungspolitik, vergangene Wirtschaftskrisen bis hin zur Regulierung der Kapitalmärkte. Wir haben mit ihm über die Krise des Wirtschaftsstandortes Deutschland gesprochen und was wir tun können, um unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verbessern.

Herr Prof. Dr. Hüther, hierzulande ist immer wieder die Rede von Deindustrialisierung. Was haben wir in Deutschland falsch gemacht? Und viel wichtiger: was können wir besser machen?

Das exportorientierte deutsche Geschäftsmodell hat sich auf funktionierende internationale Lieferketten sowie die Just-in-time-Produktion verlassen. Die Globalisierung mit ihrer Arbeitsteilung hat zu Abhängigkeiten auf Export- und Bezugsmärkten geführt, die durch die Einseitigkeit bei bestimmten Gütern jetzt zum Verhängnis werden. Die aus dem Angriffskrieg Russlands resultierende Energiepreiskrise setzt unserem Wirtschaftsstandort gerade massiv zu. Dazu kommen hausgemachte Probleme, insbesondere der vergangenen 16 Jahre, weil versäumt wurde in die Infrastruktur zu investieren, eine Unternehmenssteuerreform auf den Weg zu bringen und die grüne und digitale Transformation voranzutreiben. Und das mitten in einem Fachkräftemangel. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, braucht es daher eine Investitionsoffensive, Bürokratieabbau, Steuerreformen und einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Die Kunststoffindustrie befindet sich in der Transformation weg von den fossilen Rohstoffen, hin zur funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Wie kann Wirtschaftspolitik zum Gelingen dieses Prozesses beitragen?

Durch die staatlich verordnete Fristentransformation des Klimaschutzgesetzes muss sich der Staat in seiner Rolle neu erfinden: die grüne Transformation in Deutschland erfordert klimafreundliche Investitionen von schätzungsweise fünf Billionen Euro. Daher müssen schuldenfinanzierte Investitionsausgaben getätigt werden, um den Wandel zu ermöglichen und zu beschleunigen. Auch wenn marktwirtschaftliche Instrumente wie die CO2-Steuer eine wichtige Koordinierungsfunktion haben – ohne staatliche Unterstützung wie einem zeitlich klar begrenzten Industriestrompreis, überfordern wir die Wirtschaft und Gesellschaft und laufen Gefahr, unsere industrielle Basis zu verlieren. Der deutsche Wirtschaftsstandort muss für wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle rentabel bleiben, indem der Staat eine aktive Innovationspolitik betreibt, um die Skalierung zu befördern. Dazu gehören neben Superabschreibungen und Investitionsförderungen für klimaneutrale Technologien – wie auch im Wachstumschancengesetz schon angeregt – auch die Senkungen von Stromsteuern und Abgaben.

Den demographischen Wandel können wir nicht beeinflussen. Wie aber gehen wir mit dem Fach- und Arbeitskräftemangel um?

Der Wettbewerb um Fachkräfte ist das zentrale Thema unserer Dekade. Hier hat die Bundesregierung mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz schon eine wichtige Voraussetzung geschaffen. Hinzukommt aber das Heben des Arbeitskräftepotenzials in der Stillen Reserve der Erwerbsbevölkerung. Dies kann über die Abschaffung der steuerlichen Anreize zur Teilzeit gelingen, wenn gleichzeitig Betreuungsangebote massiv ausgeweitet werden. Ein flexibleres Renteneintrittsalter, wie die kontinuierliche Anhebung entlang der Lebenserwartung wäre ein weiteres Mittel. Dazu kommt die Ausweitung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit, denn in Deutschland wird mit 34,4 durchschnittlich geleisteter Wochenarbeitszeit deutlich weniger gearbeitet als im OECD-Durchschnitt. Nicht nur die Politik, auch die Unternehmen und wir als Gesellschaft sind gefordert, zu handeln.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

 

Über unseren Interviewpartner

Dr. Michael Hüther, Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)
© Institut der dt. Wirtschaft

Prof. Dr. Michael Hüther (geb. 1962) ist ein deutscher Wirtschaftsforscher.  Er hat von 1982 bis 1987 Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen studiert. Nach seiner Promotion in Volkswirtschaftslehre im Jahr 1991 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wo er 1995 zum Generalsekretär befördert wurde. Im Jahr 1999 übernahm er die Position des Chefvolkswirts der DekaBank und wurde 2001 zum Leiter der Abteilung Volkswirtschaft und Kommunikation ernannt. Seit August 2001 ist er Honorarprofessor an der EBS Business School und seit Juli 2004 ist er Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Hüther hat zudem das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland durch den Bundespräsidenten erhalten.

Über das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.

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© Institut der dt. Wirtschaft

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mit Sitz in Köln und Büros in Berlin und Brüssel ist ein privates Wirtschaftsforschungsinstitut, das sich für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einsetzt. Das IW hat sich zur Aufgabe gemacht, das Verständnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zusammenhänge zu verbessern. Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Die Mitgliedsverbände gehören in der Regel einem dieser Dachverbände an. Zudem können Unternehmen und Institutionen der privaten Wirtschaft Mitglied werden. Das IW erarbeitet Analysen und Stellungnahmen zu Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, des Bildungs- und Ausbildungssystems sowie der gesellschaftlichen Entwicklung.

Beitrags- und Headerbild: iStock | pidjoe

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