Kontakt

Papierverbunde als Alternative zu Kunststoffverpackungen?

Das Abfallaufkommen von Papierverbunden könnte sich bis 2030 fast verdoppeln

Die Menge an Verpackungsmüll, die in Deutschland jedes Jahr pro Kopf produziert wird, ist beträchtlich. Laut statistischem Bundesamt und Eurostat fielen 2021 rund 237 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf an. Obwohl der Anteil von Papierverpackungen mit 73 kg/Kopf fast doppelt so hoch ist wie der von Kunststoffverpackungen mit 34,4 kg/Kopf, stehen in den Medien oft Plastikabfälle im Mittelpunkt. Ein viel diskutiertes Thema ist dabei, wie man Plastikverpackungen vermeiden kann, beispielsweise indem man Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde ersetzt. Doch wie umweltfreundlich ist das wirklich?

Verpackungsstudie untersucht Vorteile und Nachteile von Kunststoff und Papierverbundmaterial bei Verpackungen

Eine Studie der  GVM Gesellschaft für Verpackungsforschung  untersucht im Auftrag der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. das Gewicht und die Recyclingfähigkeit von unterschiedlichen Verpackungen aus Kunststoff und Papierverbundmaterialien. Dabei wurden verschiedene Verpackungstypen wie Gastronomie-Serviceverpackungen, Schalen für Hackfleisch und Verpackungen für Nudeln analysiert.

Substitution Von Kunststoffverpackungen Vergleich GVM 240411
© GVM Gesellschaft Verpackungsmarktforschung, Substitution von Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde unter Berücksichtigung monetärer Lenkungsmaßnahmen, S. 5, 2024

Papierverbund oft schwerer und schlechter zu recyceln

Ein zentraler Aspekt der Untersuchung war die Materialeffizienz und Recyclingfähigkeit von Kunststoffverpackungen im Vergleich zu Papierverbunden. Kunststoffverpackungen waren in einigen Fällen bis zu 79 % leichter als ihre Pendants aus Papierverbund. Zudem waren rund zwei Drittel der systembeteiligungspflichtigen Kunststoffverpackungen zu mehr als 95 % recyclingfähig. Im Vergleich dazu wiesen etwa 60 % der Papierverbunde eine Recyclingfähigkeit von weniger als 90 % auf. Ein weiterer wichtiger Punkt war das Gewicht der Verpackungen. Papierverbunde waren pro Kilogramm Füllgut deutlich schwerer als Kunststoffverpackungen, was zu einer Steigerung des Abfallaufkommens um 35 bis 40 % bei der Substitution führte.

Die Grafik zeigt, dass sich das Aufkommen von Papierverbundmaterial in Verpackungsabfällen bis 2030 nahezu verdoppeln könnte. Wert für 2022 = 313,6 - bis 2030 wird eine Steigerung dieses Wertes auf 572,5 prognostiziert
© GVM Gesellschaft Verpackungsmarktforschung, Substitution von Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde unter Berücksichtigung monetärer Lenkungsmaßnahmen, S. 9, 2024

Vier Gründe für den Anstieg von Papierverbunden

Trotz dieser Erkenntnisse prognostiziert die Studie einen beinahe exponentiellen Anstieg des Verbrauchs von Papierverbunden bis zum Jahr 2030. Verschiedene Gründe treiben diesen Anstieg voran:

  1. Das weit verbreitete „Kunststoff-Bashing“ basiert oft auf Vorurteilen und erhöht den Druck zur Substitution durch Alternativmaterialien.
  2. Verbraucher betrachten Verpackungen aus Papier irrtümlicherweise oft als „ökologischer“ und bevorzugen deren Haptik. Hersteller und Handel reagieren auf die Präferenzen der Verbraucher und setzen vermehrt auf Papierverbunde.
  3. Die Mehrwegangebotspflicht für Gastroverpackungen begünstigt den Einsatz von Papierverbunden, obwohl diese nicht von dieser Pflicht befreit sind.
  4. Papierverbunde werden im dualen System fälschlicherweise oft als Papier-Monoverpackungen angemeldet und sind dadurch kostengünstiger.

Gesetze die Papierverbundmaterialien begünstigen könnten dazu führen, dass das Abfallaufkommen weiter steigt

Der prognostizierte Anstieg des Verbrauchs von Papierverbunden wirft wichtige Fragen auf. „Wenn Regulierungen und Gesetze, wie die PPWR, oder die Einführung einer möglichen Plastiksteuer, weiterhin den Einsatz von Papierverbunden begünstigen, wird der Verbrauch von Papierverbunden noch stärker zunehmen.“, erklärt Kurt Schüler, Geschäftsführer der Gesellschaft für Verpackungsforschung, „Jede weitere Regulierung in diese Richtung würde dazu führen, dass die Menge an Verpackungsabfall zunimmt und die Recyclingfähigkeit tendenziell abnimmt, was in Bezug auf Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft kontraproduktiv wäre.“

Wenn Regulierungen und Gesetze, wie die PPWR, oder die Einführung einer möglichen Plastiksteuer, weiterhin den Einsatz von Papierverbunden begünstigen, wird der Verbrauch von Papierverbunden noch stärker zunehmen. - GVM Kurt Schüler - Verpackungsforschung Parlamentarisches Frühstück
© Wir sind Kunststoff, Helmut Schüler

Entfalten Materialneutrale Regulierungen eine höhere Lenkungswirkung?

„Es wäre ein großer Fehler, Papierverbunde durch die Einführung einer Plastiksteuer oder weiterer Verpackungsgesetzte erneut auf Kosten von Kunststoffverpackungen zu bevorteilen.“, so Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., „Der Umwelt würde es nicht helfen und das hohe Müllaufkommen würde man damit auch nicht in den Griff bekommen. Besser wäre es materialneutrale Regulierungen zu finden, um das Aufkommen von schlecht recycelbaren Verpackungen insgesamt zu verringern. Beispielsweise durch eine Anpassung der Lizenzentgelte für das Duale System. Auf diese Weise könnte man besonders Materialsparsame und recyclingfähige Verpackungen begünstigen und solche Verpackungen die unnötig viel Material verbrauchen, oder schlecht zu recyceln sind, deutlich teurer machen. Eine solche Regulierung hätte eine viel höhere Lenkungswirkung als eine Maßnahme, die nur auf eine einzige Sorte Material abzielt.“

Es wäre ein großer Fehler, Papierverbunde durch die Einführung einer Plastiksteuer oder weiterer Verpackungsgesetze erneut auf Kosten von Kunststoffverpackungen zu bevorteilen. - Zitat Martin Engelmann - IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen
© Wir sind Kunststoff, Martin Engelmann

 

Teilen

Teilen


Artikel abonnieren


Loading

Ähnliche Beiträge

Habt ihr Fragen?
Abonnieren
Sprecht mit uns