Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) schätzt, dass in Deutschland bis 2030 bis zu fünf Millionen Fachkräfte fehlen könnten, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Dieser Trend geht auch an der Kunststoffindustrie nicht vorbei und wird die Branche zwingen, sich neu aufzustellen. Das kann jedoch auch Vorteile haben, erklärt Sven Weihe: „Der demografische Wandel ist natürlich eine große Herausforderung, bietet uns aber auch die Chance, unsere Industrie und unsere Ausbildungsangebote zu modernisieren und attraktiver zu gestalten.“
Die Ausbildung zur/zum Kunststofftechnolog*in wurde bereits 2023 grundlegend überarbeitet, um den steigenden Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind nun feste Bestandteile des Lehrplans, was den Beruf für junge Menschen deutlich attraktiver macht.
Neben der Modernisierung der Ausbildung kann die Kunststoffindustrie verstärkt auf innovative Rekrutierungsstrategien setzen. „Wir müssen dort sein, wo die Jugendlichen sind, und ihre Aufmerksamkeit mit spannenden Formaten gewinnen“, sagt Weihe. Durch Chemie-Wettbewerbe, Schüler-Labore, Hackathons, Science Slams und Speed-Dating-Veranstaltungen kann es Unternehmen gelingen, direkt mit potenziellen Nachwuchskräften in Kontakt zu treten. Diese Ansätze mit Event-Charakter sind nicht nur kreativ, sondern auch effektiv: Sie ermöglichen es, beispielsweise Kandidaten zu erreichen, die sich ansonsten vielleicht nie für eine Ausbildung entschieden hätten.
Für Unternehmen gibt es auch andere bewährte Methoden, um junge Leute für die Branche zu begeistern: Betriebsführungen, Tage der offenen Tür und Projekttage in Kooperation mit Schulen und Universitäten bieten wertvolle Einblicke und wecken das Interesse junger Menschen an technischen Berufen. Diese direkten Erfahrungen und Einblicke in die Produktion sind oft entscheidend, um Vorurteile gegenüber der Industrie abzubauen und Begeisterung für die Kunststoffindustrie zu wecken.
Auch Messen sind eine gute Gelegenheit, um mit Nachwuchstalenten in Kontakt zu kommen. Die nächste K-Messe, der wichtigste Branchentreffpunkt, findet im Oktober 2025 in Düsseldorf statt. Diese Messe bietet Unternehmen die Möglichkeit, nicht nur ihre Innovationen zu präsentieren, sondern auch gezielt junge Talente anzusprechen. Neben der K-Messe gibt es in Deutschland weitere wichtige Veranstaltungen wie beispielsweise die Fakuma in Friedrichshafen und die Fachpack in Nürnberg, die ebenfalls wertvolle Plattformen für den Austausch und die Rekrutierung bieten.
Eine vielfältige Belegschaft ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Kunststoffindustrie. „Vielfalt bringt neue Perspektiven und treibt Innovationen voran“, betont Weihe. Der GKV fördert aktiv die Integration von Menschen mit verschiedenen kulturellen, sozialen und beruflichen Hintergründen. „In einer Branche, die auf kontinuierliche Innovation angewiesen ist, sind diese unterschiedlichen Sichtweisen von unschätzbarem Wert.“
Weiterbildung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Fachkräften. Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Möglichkeit, nach einer Ausbildung einen Meisterbrief zu erwerben oder ein berufsbegleitendes Studium anzuhängen, ein wichtiger Anreiz. „Unternehmen, die in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, profitieren von einem qualifizierten und motivierten Team“, so Weihe. Diese Angebote sind nicht nur für die persönliche Entwicklung wichtig, sondern auch für die langfristige Bindung von Fachkräften an das Unternehmen.
Zudem spielt der Wohnort und die lokale Verbundenheit eine große Rolle bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Viele junge Menschen legen Wert darauf, in ihrer Heimatregion zu bleiben. Unternehmen, die in regionalen Netzwerken aktiv sind und lokale Partnerschaften pflegen, zum Beispiel zu Schulen und Sportvereinen, haben daher oft einen Vorteil bei der Rekrutierung. Die Verbindung zur Heimat und das Angebot einer attraktiven Lebensumgebung sind bei der Berufswahl oft entscheidend.
In der heutigen Zeit ist es für Unternehmen unverzichtbar, digitale Kanäle zu nutzen, um junge Leute zu erreichen. Während TikTok bei der Generation Z besonders populär ist und kreative Werbeformate ermöglicht, gibt es auch andere erfolgreiche Wege. Plattformen wie Instagram, YouTube, und Twitch sind ebenfalls wichtige Werkzeuge, um die eigene Marke als Arbeitgeber zu stärken. „Es geht darum, dort präsent zu sein, wo die jungen Leute ihre Zeit verbringen, und ihnen Inhalte zu bieten, die relevant und ansprechend sind“, erklärt Weihe. Wichtig ist, dass die Botschaften authentisch und auf die Zielgruppe abgestimmt sind. Sven Weihe ist zudem davon überzeugt, dass noch mehr Unternehmen den Mut haben sollten ihre Auszubildenden in die Social-Media Kommunikation mit einzubinden. „Ihre Auszubildenden können gegenüber anderen jungen Menschen als glaubhafte Marken-Botschafter auftreten und finden oft intuitiv die richtige Ansprache. Sie werden überrascht sein, wie kreativ und virtuos manche ihrer Auszubildenden mit digitalen Kanälen umgehen können.“
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