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„Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen, ist nicht der Stein der Weisen“

Prof. Dr. Langowski, ehemaliger Leiter des Fraunhofer IVVProf. Dr. Horst-Christian Langowski ist der ehemalige Leiter des Fraunhofer Instituts für Verfahrenstechnikund Verpackung IVV. Er hat sich auf das Gebiet der Verpackungstechnik für Lebensmittel sowie für technische und pharmazeutische Produkte spezialisiert, und sich mit den besonderen Funktionen von Kunststoffmaterialien sowie deren Wechselwirkungen mit verpackten Produkten beschäftigt. Im Interview hat er uns erzählt, warum wir Verpackungen überhaupt brauchen, was wir damit machen und welche Entwicklungen wir in den nächsten Jahren erwarten können.

 

Herr Dr. Prof. Langowski, die Zahl der Unverpackt-Läden steigt kontinuierlich. Können wir auf Verpackungen wirklich verzichten?

Auch die Unverpackt-Läden nutzen Verpackungen. Diese sieht man allerdings nicht, weil sie ihre Produkte damit geliefert bekommen. Das sind zwar größere Säcke oder Container oder sonstige Behälter, aber es sind eben auch Verpackungen.

Es gibt nur sehr wenig Produkte, die man ganz ohne Verpackung wirklich gut verkaufen kann. Unverpackt-Läden verkaufen nur die Waren, die sich ohne Verpackung über längere Zeit aufheben lassen, wie Nüsse, Müsli oder Cerealien. Bei Kartoffelchips oder Milchprodukten wie Joghurt sähe das sicher schon anders aus.

In den letzten Jahren wurde immer wieder versucht, Milchprodukte unverpackt zum selbst Abfüllen zu verkaufen. Das hat sich aber nie richtig durchgesetzt. Unter anderem auch deshalb, weil die hygienischen Probleme einfach zu groß sind.

Wie haben sich Verpackungen in den letzten 30 Jahren verändert?

Es gab zwei Haupttrends: Man ersetzte – und macht das heute auch immer noch – schwere Materialien wie Glas und Metall durch Kunststoffe, manchmal auch durch Kunststoffpapierverbundmaterial, um das Verpackungsgewicht zu reduzieren und damit auch die Transportaufwendungen.

Verschiedene Verpackungsmöglichkeiten werden präsentiert
Unterschiedliche Verpackungsmöglichkeiten.
© Fraunhofer IVV

Das funktioniert hauptsächlich bei den schwersten Verpackungen. Und das sind Glasverpackungen. Deshalb haben sie in den letzten Jahrzehnten fast kontinuierlich an Marktvolumen verloren.

Der zweite Trend sind die aktiven Verpackungen. Sie wurden in den letzten Jahren eher publizitätsträchtig und in der Literatur erwähnt, zum Beispiel Sauerstoff-Absorber bei Kunststoffflaschen. Deren Anteil am gesamten Verpackungsmarkt ist aber eigentlich relativ gering. Und weil Rezyklierbarkeit einen immer höheren Stellenwert hat, wird es sogar noch etwas weniger werden.

Wie wird die Reise rund um die Verpackungen in Zukunft weitergehen?

Sie wird ähnlich sein, obwohl Kunststoffe mittlerweile ziemlich in der Schusslinie sind. Da muss man entsprechend mit Fakten argumentieren. In der Zukunft wird man viel mehr darauf achten, dass die Kunststoffverpackungen recyclingfähig sind und auch, dass man Recyclingmaterial wieder in den Kunststoffverpackungen einsetzen kann.

Welche Kriterien sollten Produkte erfüllen, damit sie sich gut recyceln lassen?

Sie dürfen nicht aus zu vielen unterschiedlichen Materialien bestehen oder die Materialien müssen gut voneinander trennbar sein. Und zwar automatisch, ohne dass Verbraucher das machen müssen. Denn darauf kann man nicht bauen.

Die Produkte sollten im besten Fall aus einem einzigen Material sein. Das ist nicht ganz einfach. Eine andere Option ist, kompatible Materialien zu verwenden, die im Recycling später gut zusammenpassen.

Zudem müssen die recycelten Materialien auch wieder eingesetzt werden können und es muss einen entsprechenden Markt dafür geben. Das ist weniger einfach, als es klingt. Denn sie sind aufwendig herzustellen und meistens teurer als neue Materialien. In diesem Punkt funktioniert unsere Marktwirtschaft leider nicht so, wie es wünschenswert wäre.

Sollte man nicht lieber weniger produzieren, sodass erst gar kein Plastikmüll entsteht?

Klingt gut, kann man fordern, aber die Erfahrungen zeigen, dass das immer mit erhöhten Lebensmittelverlusten einhergeht. Verpackungen machen deutlich weniger als zehn Prozent des CO2-Fußabdrucks eines gesamten Produktes aus. Habe ich mehr Produktverlust, zum Beispiel weil Lebensmittel verderben, bevor diese beim Verbraucher ankommen, ist die Einsparung bei der Verpackung schon weitgehend wieder aufgezehrt.

Welche Rolle spielen Lebenszyklusanalysen für die Weiterentwicklung des Produktdesigns?

Lebenszyklusanalysen sind sehr aufwändig. Es sind produktspezifische Daten notwendig. Man muss sich immer die Kombination Verpackung und verpacktes Produkt ansehen, das lässt sich nicht einfach auf ein anderes System übertragen. Deshalb ist es erforderlich, sich jedes einzelne Produkt mit seiner Verpackung anzusehen und genau dafür eine sorgfältige Lebenszyklusanalyse zu machen, auch mit validen Daten zum Recycling.

Qualitätscheck von Verpackungsmaterial
Qualitätscheck von Rezyklatfolie © Fraunhofer IVV

In Zukunft finden wir solche Werkzeuge vielleicht in vereinfachter Form in der Software der Produktdesigner. Allerdings müssen die Produktdesigner dabei auch genau wissen, was sie machen. Sie müssen in der Lage sein, die Daten zu verstehen, die Werkzeuge richtig anzuwenden und auch deren Grenzen kennen.

Zurzeit bezieht sich Design for Recycling hauptsächlich auf Verpackungen. Wie weit ist die Entwicklung bei langlebigen Kunststoffen?

Dass wir Design for Recycling bei Verpackungen primär machen, ist kein Wunder. Wir benutzen 40 Prozent der Kunststoffe für Verpackungen. Haben aber in den Kunststoffabfällen rund 60 Prozent oder mehr Verpackungen, je nach Quelle. Verpackungen landen also aufgrund ihrer Kurzlebigkeit wieder viel schneller im Abfall als langlebigere Produkte wie beispielsweise Baufolien oder Fensterrahmen, die Jahrzehnte lang im Einsatz sind. Aus diesem Grund hat man die Verpackung erstmal vorgezogen.

Auf der anderen Seite sind die Materialien, die man im Baubereich verwendet, deutlich einfacher konzipiert als Verpackungen. Ein PVC-Fensterrahmen oder eine Unterspannfolie bestehen aus einem Material. Im Kunststoffverpackungsbereich haben wir sehr häufig sehr komplexe Materialkombinationen, die sich viel schwieriger recyceln lassen.

Sie begleiten den PackTheFuture Award seit seiner Schaffung. Welche Entwicklungen haben Sie beeindruckt?

Mich hat sehr beeindruckt, in welchem Tempo es in den letzten Jahren voranging. Ich verfolge die Entwicklung des Verpackungsrecycling schon mehr als 30 Jahre. Anfänglich wurde mir immer gesagt, dass ich nicht glauben sollte, dass es irgendwann möglich ist, aus Rezyklaten wieder Verpackungen herzustellen. Und auch, dass wir nicht in der Lage sein werden, Verpackungsfolien zu rezyklieren. Es hat sich aber längst gezeigt, dass das geht – wenn auch mit einigen Anstrengungen. In Zukunft sind die Preisträger von gestern und heute der Standard von morgen.

Schöpft die Industrie ihr Potenzial bereits aus?

Das größte Gegenargument gegenüber allen Aktivitäten sind die Kosten. Betrachtet man die nackten Zahlen, stellt man fest, dass die meisten Rezyklate heute teurer sind als Neuware. Sollen dann aus den Rezyklaten noch Lebensmittelverpackungen gemacht werden, wird es noch komplizierter und aufwändiger. Das hindert die Industrie, ihr Potenzial auszuschöpfen.

Unternehmen können das aber auch nicht so aus eigenem Antrieb heraus, denn ihr Job ist es, Profite zu machen. Unser bisheriges System kann diese Anforderungen noch nicht erfüllen. Hier muss der Gesetzgeber sich bemühen, diese Probleme zu lösen.

Wo gibt es noch Nachholbedarf?

Es gibt viele verschiedene Label zur Recyclingfähigkeit oder zum Rezyklateinsatz, die Hersteller auf Verpackungen drucken können. Die sind mehr oder weniger aussagekräftig. Wenn ein Hersteller sagt, er hat sein Produkt aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff gemacht, kann das bedeuten, dass es tatsächlich aus recyceltem Material ist, das schon einmal eine Verpackung gewesen ist. Es gibt aber auch Hersteller, die ihre Produktionsabfälle als Recyclingmaterial deklarieren. Denn es fehlt an einer klaren Standardisierung für solche Labels. Die EU ist hier schon ganz gut unterwegs, für solche umweltbezogenen Aussagen klare Vorgaben zu machen.

Worauf kommt es bei einer Verpackung an und was macht sie innovativ?

Die Funktion, die eine Verpackung zu leisten hat, ist nicht ganz einfach. Es gibt dafür Fachbegriffe wie PCCC, für Protection, Containment, Communication und Convenience. Unter jedem dieser Begriffe gibt es weitere Unterkategorien. Ich haben noch ein viertes ‚C‘ hinzugenommen – Conservation. Das bedeutet, dass eine Verpackung auch in der Lage sein muss, möglichst wenige Umweltauswirkungen zu haben, also nachhaltig ist.

Soll eine Verpackung innovativ sein, muss sie in einer oder mehreren dieser Kategorien Fortschritte bringen, wie beispielsweise einen besseren Produktschutz. So dass das Produkt eine längere Lebensdauer hat. Wenn die Verpackung dann zusätzlich noch gut verwertbar ist, würde ich sie als innovativ klassifizieren. Um nur ein Beispiel zu nennen. Letztendlich kommt es bei aller Innovation immer darauf an, dass der Produktschutz nicht auf der Strecke bleibt, er hat oberste Priorität.

 

Tales from the Future – Mit neuen Technologien und Materialien in Richtung Klimaschutz

Werden wir irgendwann auf neue, fossile Rohstoffe zur Produktion von Verpackungen verzichten können, so wie es in dem Video Tales from the Future gezeigt wird?

Das Video vereinfacht die Sachverhalte schon. Denn wenn ich recycle – egal ob Glas, Metall oder Kunststoff – gibt es immer ein paar Ausfälle, es geht Material verloren oder es baut sich in der Qualität ab. Daher ist es stets notwendig, irgendwann neues Material dazu zuschießen. Deshalb wird man nie ganz ohne neues Material auskommen.

Bei Kunststoffen könnte man sich vorstellen, dass man das neue Material dann aus nachwachsenden Rohstoffen produziert. Hier gibt es bereits Polyethylen, Polypropylen und andere Kunststoffe, die auch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Das kann zwar sinnvoll sein, ist aber nicht der Stein der Weisen. Denn die Landwirtschaft soll vorrangig zur Produktion von Lebens- und Futtermitteln eingesetzt werden. Und schon gibt es wieder Konkurrenz um die knappen Ackerflächen. Den intensiven Anbau, den wir heute schon haben, sollte man in der Zukunft nicht noch für weitere Zwecke ausweiten. Es wird zwar schwierig werden, zukünftig kohlenstoffdioxid-neutral zu arbeiten. Aber daran führt kein Weg vorbei.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Über unseren Interviewpartner

Prof. Dr. Horst-Christian Langowski (*1954) arbeitet auf dem Gebiet der Verpackungstechnik für Lebensmittel sowie für technische und pharmazeutische Produkte, speziell mit Kunststoffmaterialien mit besonderen Funktionen sowie deren Wechselwirkungen mit verpackten Produkten.

Nach dem Physikstudium an der Universität Hannover nahm er 1981 eine Industrietätigkeit zur Entwicklung optischer Datenträger auf und promovierte parallel dazu 1989 an der Universität Hannover. Er wechselte 1991 an das jetzige Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung, das er von 2004 bis 2020 leitete. Zwischen 2017 und 2020 war er auch Vorsitzender des Fraunhofer-Verbunds „Life Sciences“ und Mitglied im Präsidium der Fraunhofer-Gesellschaft.

Von 2003 bis 2020 leitete Prof. Dr. Horst-Christian Langowski den Lehrstuhl für Lebensmittelverpackungstechnik der TUM und arbeitete zwischen 2006 und 2019 auch als Studiendekan für Brau- und Lebensmitteltechnologie. Er ist weiterhin Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift „Food Packaging and Shelf Life“, Vorsitzender des Verbands Weihenstephaner Milchwirtschaftler, Bio- und Lebensmitteltechnologen e.V. und Vorstandsmitglied im Zentrum für Lebensmittel- und Verpackungstechnologie e.V.

Über das Fraunhofer IVV

Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV ist führend in den Bereichen Lebensmittel, Verpackung, Produktwirkung, Verarbeitungsmaschinen sowie Recycling und Umwelt. In der täglichen Arbeit richtet sich die Organisation nicht nur nach aktuellen Herausforderungen, sondern treibt die Zukunftsthemen Bioökonomie, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung stetig weiter voran.

So entwickelt das Fraunhofer IVV aus nachwachsenden Roh- und Reststoffen hochwertige Lebensmittel und sichere Verpackungen. Mit neuen technischen Anwendungen und intelligenten digitalen Lösungen gewährleistet das Fraunhofer IVV die reibungslose maschinelle Verarbeitung und hält die Umweltlasten gering. Im Sinne der Ressourcenschonung arbeitet das Fraunhofer IVV außerdem an innovativen Recyclingverfahren und macht Rezyklate wieder zu hochwertigen Werkstoffen.

Als Institut der Fraunhofer-Gesellschaft gehört das Fraunhofer IVV zur größten Forschungseinrichtung für angewandte Forschung in Europa. An seinen Standorten in Freising und Dresden arbeiten rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an neuen Anwendungen in den Bereichen Verfahrenstechnik und Verpackung.

 

Headerbild: iStock

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