Online-Händler wie OTTO und Tchibo experimentieren mit Mehrweg-Versandtaschen. Kunden lieben die neuen Transportverpackungen, doch die Rücklaufquoten sind noch zu niedrig. Eine branchenweite Lösung könnte das Problem beheben, doch es wird noch Zeit brauchen, bis sie verfügbar ist. Ein Interview mit Christian Sigmund, Mitgründer von WILDPLASTIC®, über den Online-Versandhandel und was Händler schon jetzt tun können, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
Frage: Wie lange wird es noch dauern, bis es eine branchenweite Lösung für Mehrweg-Versandtaschen gibt?
Christian Sigmund: Es gibt ja bereits verschiedene Mehrweglösungen für den Versandhandel, die Herausforderung besteht eher in der Frage, ob man sich auf ein gemeinsames, branchenübergreifendes System einigen wird. Hier nehme ich wahr, dass die Größen der Branche bestrebt sind, miteinander an einer Lösung zu schrauben.
Frage: Welche Maßnahmen können Online-Händler in der Zwischenzeit ergreifen, um den CO2-Fußabdruck von Versandverpackungen zu reduzieren?
Christian Sigmund: Es gibt zwei große Stellschrauben: Das Eigengewicht der Verpackungen und das Transportvolumen. In beiden Fällen kann man dem Onlinehandel nur empfehlen, beides auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, ohne Kompromisse beim Produktschutz zu machen. Außerdem sind Versandtaschen aus Kunststoffrezyklat eine sofort umsetzbare Lösung.
Frage: Warum Kunststoff? Welchen Vorteil hat eine Versandtasche aus recyceltem Kunststoff gegenüber einer Versandtasche aus recyceltem Papier?
Christian Sigmund: Häufig ist die Wahrnehmung, dass Papier prinzipiell nachhaltiger ist als Plastik. Die Betrachtung der Emission pro Kliogram der Verpackung verrät jedoch, dass sich beide Materialien ungefähr die Waage halten. Jedoch ist eine Versandverpackung aus Kunststoff meist um ein Vielfaches leichter, was den CO2-Fußabdruck deutlich verkleinert. Es gibt keine „one fits all“ Lösung bei Verpackungen, weshalb eine differenzierte Betrachtungsweise unerlässlich ist.
Frage: Für welche Produkte eignen sich diese Versandtaschen – und für welche Produkte eher nicht?
Christian Sigmund: Sie eignen sich hervorragend für Textilien, Klamotten, Kissen & Decken, kleinere Gegenstände und ganz viel mehr, aber sie eignen sich nicht für zerbrechliche und sperrige Artikel. Eine Versandtasche erfüllt dann ihren Zweck, wenn sie den Anforderungen der Logistik standhält, d.h. den Transport vom Warenlager bis hin zu den Kunden sicher gewährleistet. Dafür gibt es diverse mechanische Anforderungen wie zum Beispiel Reißfestigkeit, Blickdichte.
Frage: Wird durch die langen Transportwege von recyceltem Material aus fernen Ländern nicht der CO2-Vorteil geschmälert? Wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Christian Sigmund: Bevor wir WILDPLASTIC® ins Leben gerufen haben, wurde unser Konzept wissenschaftlich auf den Prüfstand gestellt. Mithilfe einer Lebenszyklusanalyse haben wir festgestellt, dass der Transportweg vom Sammlungsort bis zur Produktion nur einen Bruchteil der Emissionen verursacht. So konnten wir im Vergleich zu Referenzprodukten noch bis zu 60 % CO2 einsparen.
Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Onlinehandels?
Christian Sigmund: Wir wünschen uns einen Onlinehandel, der innerhalb der planetaren Grenzen funktioniert. Konkret braucht es dafür eine Vielzahl an Lösungen, die ineinandergreifen. Unsere Vision ist es, dass wirtschaftliches Handeln wirklich mit ökologischer Nachhaltigkeit einhergeht und die externalisierten Kosten mit einbezieht. Denn dann haben wir die Chance, all die großartigen Lösungen, die es heute schon gibt, auch umzusetzen.