Moderne Kunststoffe bieten große gestalterische Freiheit. Welche Chancen und Grenzen ergeben sich daraus – und welche Verantwortung haben Gestalter, Wissenschaftler und Konsumenten angesichts der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten? Dies und mehr erfahren Interessierte noch bis 7. Januar 2024 in der Sonderausstellung „Kunststoff – Zauberstoff. Freiheit und Grenzen der Gestaltung“ im Museum „Hochschule für Gestaltung-Archiv (Hfg-Archiv)“ Ulm.
Kunststoffaschenbecher in allen Bonbonfarben, mit einer Kante, die wie eine Sinuskurve geschwungen ist. In den 60er und 70er Jahren war Plastik einfach „groovy“. Auch Cremedosen aus Kunststoff waren absolut cool. Dieses neuartige Material mit entsprechender Grafik eröffnete ganz neue Möglichkeiten in Design, Ästhetik und Nutzung, die die Verbraucher gerne auskosteten. Die Hoffnung, die dieses innovative Material damals mit sich brachte, ging weit über neue Farben und Formen hinaus.
Der Stapelstuhl und auch ein Entwurf eines einfachen grünen Kunststoffautos, speziell für den Einsatz in Entwicklungsländern gemacht, sind ein Beleg, dass auch der demokratische Ansatz in der Entwicklungsgeschichte des Rohstoffs eine wichtige Rolle spielt. Kunststoffe ersetzen traditionelle Materialien, sind günstiges Ausgangsmaterial für massenhaft hergestellte Pfennigartikel, aber auch hochwertige Industrieprodukte mit einer langen Lebensdauer. „Design für alle, für ein gutes Leben in Zufriedenheit, das auch ermöglicht wurde durch diese neuen Werkstoffe. Denn alles andere wäre viel zu teuer gewesen“, sagt die Kuratorin der Ausstellung Christiane Wachsmann im Interview mit dem Deutschlandfunk. Dennoch bietet die Ausstellung verschiedene Perspektiven auf das Thema Kunststoff und widmet sich auch dem Plastikmüll. „Die Frage ist, was ist gut und was ist schlecht und wie können wir in Zukunft damit umgehen?“, ergänzt Wachsmann.
Interessant ist auch, wie die Ausstellung den Begriff Kunststoff definiert: denn es geht nicht nur um Plastik und Polymerverbindungen, Kunststoff ist vielmehr jeder von künstlicher Hand geformte Stoff, wie Dinge aus Porzellan, Stahl und Glas – aber auch Hocker aus gepresstem Biergranulat.
Kunststoff – Zauberstoff: Die Ausstellung macht den Hype der Vergangenheit greifbar. Die Kuratoren zeigen aber auch die Problematik der Massenproduktion und in welche Richtung der Rohstoff sich künftig entwickeln könnte.
Die Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) war in den 1950er und 1960er Jahren eine der fortschrittlichsten Institutionen für die Lehre von Design und Umweltgestaltung. In ihren Abteilungen wurden neue Gestaltungsansätze erforscht und in die Praxis umgesetzt: Visuelle Kommunikation, Industriedesign, Bauen, Information und später auch Film. Der Campus spiegelt das Lehrkonzept wider, nämlich die Integration von Arbeit und Leben an einem Ort. Die Geschichte der HfG war geprägt von Innovation und Wandel, ganz im Sinne des Selbstverständnisses der Hochschule als experimentelle Institution. Nach ihrer Schließung im Jahr 1968 trugen Dozenten und Studenten den Kern ihrer Lehre weiter − sei es in ihrer täglichen Arbeit mit zahlreichen namhaften Industrieunternehmen, sei es durch den Unterricht an Hochschulen und Akademien in der ganzen Welt.
Beitragsbild und Headerbild: © HfG-Archiv – Museum Ulm