Frankfurt am Main, 17. Juni 2025 – In Deutschland und Europa könnte es bis 2030 zu einem ernsthaften Engpass beim Recycling von Kunststoffen kommen. Das zeigt eine neue Studie der Conversio Market & Strategy GmbH, die im Auftrag des Think Tank BKV GmbH erhoben wurde. Das Problem: Der Bedarf an recyceltem Kunststoff steigt schneller, als Recyclinganlagen neues Material nachliefern können.
Zugleich kritisiert die Studie eine massive Verschwendung von Ressourcen. Noch immer wird ein Großteil potenziell wiederverwertbarer Kunststoffe nicht recycelt, sondern als Ersatzbrennstoff in der Zementindustrie oder in Müllheizkraftwerken verbrannt. Das müsse sich dringend ändern, so die Autoren.
Immer mehr Unternehmen wollen oder müssen recycelte Kunststoffe einsetzen, sei es für Verpackungen, Bauteile in Autos, Elektrogeräte oder Bauprodukten. Diese sogenannten Rezyklate stammen meist aus gebrauchten Kunststoffprodukten, etwa aus Leichtverpackungen, Elektroschrott, Altfahrzeugen oder gewerblichen Kunststoffabfällen.
Der Bedarf an recycelten Kunststoffen wächst nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus strategischen Überlegungen. Denn wer recycelte Materialien einsetzt, verwendet weniger Rohöl, hat in vielen Fällen kürzere Lieferwege, und wird unabhängiger von schwankenden Energie- und Rohstoffpreisen. Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheit und drohender Handelskonflikte kann der Zugang zu hochwertigem Rezyklat daher einen Wettbewerbsvorteil darstellen.
Die Europäische Union hat ebenfalls ein strategisches Interesse daran, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen und den Recyclinganteil in der Kunststoffproduktion deutlich zu erhöhen. Deshalb plant sie, den Einsatz recycelter Kunststoffe verbindlich vorzuschreiben, mit konkreten Quoten für verschiedene Branchen. So sollen künftig nicht nur Verpackungen, sondern auch Produkte aus dem Automobil-, Bau- und Elektronikbereich einen festgelegten Anteil an recycelten Kunststoffen enthalten.
Die Conversio Market & Strategy GmbH hat in ihrer neuen Studie nun analysiert, wie hoch der Bedarf an recycelten Kunststoffen bis zum Jahr 2030 voraussichtlich ausfallen wird, und welche Menge an sogenannten Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) voraussichtlich verfügbar sein wird.
Die Untersuchung berücksichtigt die Wirkung von gesetzlichen Vorgaben, wie der EU-Verpackungsverordnung (PPWR) oder der EU-Altfahrzeugverordnung (ELV), sowie absehbaren Marktentwicklungen. Untersucht wurden verschiedene Abfallströme, Anwendungsbereiche und Kunststofftypen in Deutschland und der Europäischen Union (EU-27+3).
Das zentrale Ergebnis der Studie lautet, selbst bei einem moderaten Ausbau der Recyclingkapazitäten wird die erwartete Nachfrage nach recycelten Kunststoffen das Angebot deutlich übersteigen. Für Deutschland wird eine Lücke von bis zu 861.000 Tonnen erwartet. Selbst im optimistischen Szenario mit ergänzendem chemischem Recycling beträgt das Defizit immer noch rund 310.000 Tonnen. Europaweit könnten laut Studie im Jahr 2030 insgesamt 3,5 Millionen Tonnen hochwertiger Rezyklate fehlen.
Die neue Studie zeigt deutlich, dass die Nachfrage nach hochwertig recycelten Kunststoffen das prognostizierte Angebot deutlich übersteigt. Da das Problem frühzeitig erkannt wurde, kann jedoch noch gegengesteuert werden.
Aus der Perspektive der Industrie lässt sich das Problem nicht allein durch höhere Quoten lösen. Es muss jetzt auch kräftig in den Ausbau der Sortier- und Recyclinginfrastruktur investiert werden. Um diese Investitionen zu ermöglichen, braucht es aber verlässliche Rahmenbedingungen, die Investitionen fördern und den Industriestandort für Investitionen attraktiver machen.
Aus Sicht der Industrieverbände, die sich in der Initiative „Wir sind Kunststoff“ zusammengefunden haben, gibt es vier zentrale Hebel, um die Verfügbarkeit von hochwertigem Recyclingkunststoff spürbar zu verbessern.
Ein wichtiger Hebel liegt im Produktdesign. Verpackungen, Bauteile oder Geräte müssen so gestaltet sein, dass sie gut recycelt werden können, etwa durch sortenreine Materialien oder einfache Trennung. Die Industrie unterstützt daher verbindliche Design-for-Recycling-Kriterien, zunächst für Verpackungen, später auch für andere Produktgruppen. Auch finanzielle Anreize, zum Beispiel über das Lizenzentgeltsystem (§ 21 VerpackG), könnten helfen.
Laut Branchenschätzungen könnten in Deutschland jährlich über zwei Million Tonnen zusätzlicher Kunststoffabfälle aus dem Haushaltsrestmüll und Gewerbemüll erschlossen werden, wenn sie gezielt getrennt gesammelt und sortiert würden. Moderne Sortieranlagen und digitale Hilfsmittel wie KI oder Produktpässe bieten dabei neue Möglichkeiten, auch anspruchsvolle Kunststoffarten hochwertig zu recyceln.
Nicht alle Kunststoffe lassen sich mechanisch recyceln. Die Industrie setzt daher auch auf chemisches und lösungsmittelbasiertes Recycling, besonders bei komplexen Kunststoffverbindungen oder verunreinigten Verpackungen. Zusätzlich wird vorgeschlagen, nachhaltig erzeugte biobasierte Kunststoffe anteilig auf die Rezyklatquoten anzurechnen, dort, wo Recycling technisch nicht möglich ist.
Recycling funktioniert nur mit einem funktionierenden Binnenmarkt. Deshalb sollten Abfalltransporte zwischen EU-Ländern effizienter organisiert, Standards für Rezyklate harmonisiert und Importe fair geregelt werden. Auch bei der Umsetzung der PPWR mahnt die Industrie einheitliche Vorgaben und die Vermeidung nationaler Sonderregeln an.
Die vollständige Studie kann bei der BKV GmbH bestellt werden: www.bkv-gmbh.de/studie-rezyklatverfuegbarkeit.html
Kontakt:
E-Mail: info@bkv-gmbh.de
Telefon: +49 (0)69 2556 1921
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